Wüllners Ausblick

„Die Zukunft der Tradition“ ist der Leitsatz der Clüsener Kornbranntwein & Specialitäten Fabrication im ostwestfälischen Gütersloh. Mit dem Inhaber Otto Clüsener sprach „Wüllners Ausblick“ über die Zukunft gewachsener Werte. Der vielseitige Unternehmer ist Brennereifachmann in vierter Generation, leidenschaftlicher Markenmacher und sachkundiger Sammler historischer Brennereigerätschaften.

Unser Thema: Wachstum
Ihr Thema: Die Zukunft der Tradition

Wüllners Ausblick: Sie stehen für die Seele der Marke. Was wollen Sie mit Ihrem Slogn „Die Zukunft der Tradition“ zum Ausdruck bringen? Warum brauchen wir auch in Zukunft traditionelle Werte?

Otto Clüsener: Weil weder ein Baum ohne Wurzeln stehen kann, noch ein Haus ohne Fundament, noch eine Firma ohne Tradition. Es erleichtert vieles, wenn man auf traditionellen Werten aufbauen kann. Meine Familie lebt seit vielen Generationen in Westfalen, mit Kornbranntwein beschäftigen wir uns in der vierten Genration. Und die fünfte Generation schickt sich an, die Geschichte zu begleiten.

Meine Grundüberlegung war: Wie kann ich unsere traditionellen Werte in die Zukunft führen und dieses mit einem so kleinen Unternehmen wie Clüsener? Als der Brennereibetrieb eingestellt wurde, habe ich mir vorgenommen, dass die Tradition weiterlebt, immer in einem Zwiegespräch mit meinen Vorfahren. Zunächst habe ich begonnen, das Brennereigebäude, die Einrichtung und die Hostorie zu bewahren.

Wie alt waren Sie? Womit fingen Sie an?

Zwölf, dreizehn. Ich hatte schon damals Interesse für das Inventar in der Brennerei meines Vaters, meines Großvaters, meines Urgroßvaters. Zunächst ging es darum zu bergen, physische Dinge zu erhalten. Das wuchs über Jahre. Ein Raum kam zum anderen, eine Maschine folgte der nächsten und es wurde immer mehr.

Sie haben in Ihrer Sammlung nicht nur Gegenstände Ihrer Familie, sondern auch aus der Region.

Ich startete Erkundungstouren im gesamten norddeutschen Raum. In einem Brennereikalender aus dem Jahre 1900 fand ich sämtliche Brennereien des damaligen deutschen Reiches. So war es für mich einfach, sämtliche Brennereien Westfalens aufzutun und diese abzufahren und die Menschen davon zu überzeugen, mich in Ihre alten Gemäuer zu lassen. Selbst wenn sie sagten: „Herr Clüsener, wir haben nichts mehr.“ Und ich ihnen erklärte: „Lassen sie mich doch mal sehen, dann können wir hinterher überlegen ob wir was haben oder nicht.“

Doch die Ausstellung alter Fässer allein reichte mir nicht. Kurze Zeit später habe ich gemeinsam mit meiner Frau die Firma „Clüsener Kornbranntwein & Spezialitäten Fabrication“ gegründet. Im ersten Jahr haben wir etwa hundert Flaschen Kornbranntwein verkauft.

„Im Laufe der Zeit kamen weitere Produkte hinzu, getreu dem Motto:“ Erlaubt ist, was Spaß macht.“; alles auf Basis der historischen Werte. Und es wurde der Slogan festgelegt: „Die Zukunft der Tradition“. Unsere Tradition war unübersehbar, diese Tradition wollte ich nun in die Zukunft bringen. Denn nur Tradition funktioniert auch nicht. Das Wort Innovation gilt auch für ein älteres Unternehmen. Historie ohne Innovation odet Tradition ohne Zukunft geht eben nicht.

Haben Sie Beispiele für die These?

Der Nahrungsmittelmarkt zeigt, dass Unternehmen, wachsen wollen, bestimmte Innovationsraten brauchen, die festlegbar sind. Sie gelten für kleine wie für große Unternehmen. Das bedeutet: Ein Unternehmen das nicht innovativ ist und keine neuen Produkte bringt, entwickelt sich nicht weiter und wird nicht überleben.

Wie lässt sich der Konsens zur Tradition konkret darstellen? Warum haben es Unternehmen leichter, die auf traditionellen Werten bauen?

Für unser kleines Unternehmen ist das sehr klar zu beantworten. Es haben sich über die Jahre hinweg Strategien entwickelt, die sich mittlerweile bis in die fünfte Generation bewähren. Das heißt wir treffen nur Produktentscheidungen, die einen historischen Bezug haben. Bei mir gäbe es keinen Artikel ohne historische Wurzel. Von uns kämen keine modernen Mischgetänke auf den Markt, die nur einen kurzen Lebenszyklus haben.

Also nicht den Trend hinterherlaufen und kurzfristige Strömungen bedienen…

Ich habe mich lange gegen unsere Orange gewährt – obwohl das Produkt hervorragend war. Ich dachte Orange sei zu modern. Bis mir jemand erklärte, das die Orange als Spirituose in Frankreich eine enorm lange Tradition hat. Damit war klar, Orange passt zu Clüsener. Heute ist es einer unserer erfolgreichsten Artikel.

Denken Sie an Mecklenburg ich liebe dieses Land und dort gibt es Sanddorn. Wie bekomme ich also meine Liebe zu Mecklenburg und die Tradition in einer Spirituose zusammen? Im Mecklenburger Sanddorn. So funktioniert das. Produkte zu vermarkten, die nur trendy sind, ist nicht meine Sache. Ich käme auch niemals auf die Idee, die Alkoholprozente unserer Produkte herabzusetzen, um die Kalkulation zu verbessern.

Vielmehr fragen wir uns: Was ist das beste fürs Produkt? Wir scheren uns nicht um die Kalkulation, sondern wir versuchen ein Produkt zu machen, das top ist. Wenn wir es hergestellt haben, dann erst überlegen wir uns, was mag das kosten?

Manchmal stehen jedoch wirtschaftliche Sachzwänge hinter solchen Überlegungen.

Das mag für große Unternehmen sicherlich der Fall sein. Bei uns gilt: Wir reden möglichst weing über Geld. Weder bei der Herstellung, noch beim Verkauf. Allein Qualität zählt. Der Kunde muss dan entscheiden. Ein Beispiel unser Apricot-Brandy hat 35% Vol. Alkohol. Das ist relativ viel für ein Likörprodukt. Der Fachmann spricht von dem Gehalt, dem Körper des Produkts. Bei 17-prozentigen Produkten kann man nach meinem Verständnis nicht mehr davon sprechen, dass diese Likörprodukte mit Gehalt sind. Mit 35% Vol. ist für uns ein solches Produkt Qualitativ so hochwertig, wie wir es uns vorstellen. Und zu dem Preis bieten wir es dann auch an.

Soviel zur Preisthematik…

Wir sprechen über Produkte, wir sprechen über Qualität und über unsere Strategie.

Dahinter steht Ihre Denkart als Familienbetrieb?

Ein solches Miniaturunternehmen wie unseres, darf sich nicht mit den Großen über den Preis messen. Da können wir nur unterliegen. Wir müssen uns vom allgemeinen Markt abkoppel. Das geht nur indem wir finanziell unabhängig sind.

Genauso individuell sind Ihre Absatzwege?

Bei einem Schaufensterbummel entdeckte ich in Bielefeld ein Juweliergeschäft mit schönen Bilderrahmen, Kerzenleuchtern und wertvollen Juwelierprodukten. Ich bin zu dem Herrn Juwelier gegangen und habe ihn überzeugt: „Können wir nicht mal eine Flasche Clüsener auf eines Ihrer schönen Silbertabletts stellen?!“ Tage später rief er mich an und fragte :“ Herr Clüsener, könne Sie mir noch einige Produkte vorbeibringen?“ Er hatte die Flasche verkauft. Gute Produkte kann man auch in besonderen Kanälen verkaufen. Aus dieser Anekdote formte sich dann unser absatzstrategischer Weg. Das Exklusivitätsprinzip, was besagt: nur zwei oder drei Absatzmittler pro Ort.

Also Gebietssouveränität…

Nicht so modern, vielmehr ein treues Verhältnis zu unseren Kunden.

Gehört dies zu den traditionellen Werten die wir in Zukunft brauchen?

Bestimmte Wertvorstellungen werden von Generation zu Generation weitergegeben. So wie mein Urgroßvater 1878 angefangen hat, ging es über meinen Großvater und Vater. Meine vier Kinder werden oder haben es genauso aufgenommen, sie gehen zunächst ihre eigenen Wege. So studiert Augustinus Architektur, Annes Therese ist fertige Physiotherapeutin , Josephine studiert Kulturwirtschaft und Rembert bereitet sich nach dem Abitur auf das Kaufmannsleben vor.

Ein angehender Architekt?

Ja, aber auch Architekten können eine Leidenschaft nebenbei haben. Es schadet nichts wenn man sein Schiff nicht nur an einen Anker legt. Dazu kommen die Produktwerte. Sie sind enorm wichtig. Ich will dem Produkt Kornbranntwein einen besonderen Wert beimessen. Um 1900 hießen die Produkte ‚Kornbranntwein‘. In diesem Begriff steckt das wertvolle eines solchen Produktes. Korn für Getreide, Brennen für die Art der Herstellung. Die Destillation wurde in Ägypten erfunden, von daher kam die Idee des ‚gebrannten Weines‘, der Branntwein nach Europa.

In den Fünfzigerjahren des letzen Jahrhunderts wurde der Begriff reduziert, von ‚Kornbranntwein‘ auf ‚Kornbrannt‘, in den Siebzigern auf ‚Korn‘. Mit jeder begriffliche Reduzierung geht auch eine Reduzierung des Images einher. Doch Tradition heißt auch sich auf die Wurzeln eines Produktes zu besinnen. Daher heisst unser Produkt wieder ‚Kornbranntwein‘.

Und das in einer Zeit der Kürzel und SMS-Botschaften.

Wenn wir den Kornbranntwein weiter verfolgen findet er rezeptorische Eingan in andere Produkte. Zum Beispiel unseren Feinbitter -oder unseren Wacholderbranntwein. Der alkoholische Körper dieses Produktes besteht aus eichenfassgelagertem Kornbranntwein mit seinem ausgeprägten Bouquet. Ausleobt wird dieser Brand auf dem Bauchetikett nur als ‚Wacholderbranntwein‘, auf dem Rückenetikett steht in kleinen Lettern ‚Kornwacholderbranntwein‘. So erwähnen wir das besondere unserer Produkte. Haben Sie einen persönlichen Leitsatz?Eigentlich nicht, aber die Zukunft der Tradition, sie zu leben und damit auch Erfolg zu haben – das macht einfach Freude. Aber eins muss ich auch ehrlich sagen: Es funktioniert nur, wenn sie den Rücken frei haben. Stellen Sie sich mal vor, wir müssten verkaufen. Trotzdem: Die Ernsthaftigleit der Gewinnerzielung ist da. Etwas ohne Erfolg zu tun – das würde mir gar keinen Spaß machen.

Text & Bild:
Hans-Jürgen Krachher; Techniksammlung Clüsener

Latest from instagram